Halbzeit 


Vor ziemlich genau einem halben Jahr bin ich ins Abenteuer down under gestartet. Daher ist es nun Zeit, ein bisschen auf das bisher Erlebte zurück zu blicken und einen Blick in die Zukunft zu werfen.

Zunächst einmal fühle ich mich hier richtig wohl. Gut aufgehoben und irgendwie - obwohl ich jeden Tag unterwegs bin und selten länger als einen Tag am gleichen Ort verweile, angekommen. Das Land, aber vielmehr auch die Australier selbst, übertreffen tatsächlich meine Erwartungen. Das Land ist so unglaublich riesig und vielfältig, dass ich mich nach einem halben Jahr immer noch nicht daran satt gesehen habe. Vielmehr kommt es mir so vor, als ob ich schon jahrelang hier unterwegs bin. Denn wie sonst sollte Wüste und Regenwald, Millionen-Städte und einsame Orte, schroffe Küsten und endlose Weiten,  Korallenriffe und Berggipfel, Nationalparks und Shoppingmeilen erkundet werden können? Ich habe ein Land entdeckt, wie es abwechslungsreicher nicht sein könnte. 

Und doch, trotz aller Erlebnisse und mittlerweile schon unzählbaren Fotos, kommt es mir auf der anderen Seite so vor, als wäre ich gestern erst ins Flugzeug gestiegen. Der ganze organisatorische Aufwand, das Wohnung ausräumen, der Gang zum Arbeitsamt, die letzten medizinischen Untersuchungen, das alles ist noch ziemlich präsent, doch schnell wieder vergessen, wenn man sieht, was ich dafür nun tagtäglich genießen kann. Ja tatsächlich bin ich noch immer jeden Tag aufs Neue dankbar für jeden einzelnen Tag, den ich hier verbringen darf. Diese Freiheit, die ich jeden Tag voll und ganz auskosten darf, ist unbeschreiblich und eine völlig neue Erfahrung. Ohne äußere Zwänge darf ich jeden Tag neu entscheiden, wohin die Reise geht. Das ist ein unglaubliches Privileg für mich. Es ist anders als Urlaub. Denn dieser ist ja meist auf 2 Wochen begrenzt und ehe man sich versieht, findet man sich in der Arbeitsstelle wieder. Jetzt ist es wie ein Urlaub, der nie zu Ende zu gehen scheint. Und gerne würde ich dieses Gefühl mit euch teilen, und hoffe, dass ihr zumindest ein bisschen durch meinen Blog in mein Abenteuer eintauchen könnt.



 Die Nachbarn auf dem Campingplatz sind zu meinen Weggefährten geworden. Diese Herzlichkeit, Offenheit und eine gewisse Art der Glückseligkeit, wie sie die Australier mir gegenüber ausstrahlen, habe ich noch in keinem anderen Land erlebt. Schnell und unkompliziert kommt man mit den Aussies ins Gespräch und darf neugierigen Ohren seine bisherige Reisegeschichten erzählen. Die nächste Frage lautet dann nicht selten, wie lange die Reise noch gehen wird und wohin man noch reisen möchte. Mit dem Ergebnis, dass man dann augenblicklich mit Insider Tipps überhäuft wird. Kaum ein Tag vergeht, an dem man nicht von einem Australier angesprochen wird, immer mit einem Lächeln auf den Lippen und interessiert fragend, woher man denn komme. Schon öfter bin ich gefragt worden, ob ich Hilfe bräuchte, als ich kurz stehen geblieben bin, um mich bspw. in einer größeren Stadt kurz zu orientieren. 

Einmal, als mein Auto beim Wenden mit den Vorderreifen im Graben stecken geblieben ist – weit vom nächsten Ort entfernt, befürchtete ich schon das Schlimmste, denn wie soll ich aus dieser Situation wieder herauskommen? Keine zwei Minuten später hielt das erste Auto. Die freundliche Dame bot an, die Straße mit ihrem Auto abzusichern. Eine Minute später hielt ein älterer Herr – vorne am Auto eine Seilwinde. Das ist, wie ich mittlerweile weiß, tatsächlich keine Seltenheit in Australien. Ruckzuck war nun mein Auto befreit und ich konnte meine Reise fortsetzen. Jetzt vor kurzem erst bot ich meinem Campingplatz Nachbarn Wasser aus meinem Kanister an, da er selbst kein Wasser dabei hatte. Während des Gespräches stellte sich heraus, dass er der Manager eines anderen Campingplatzes war – und mich aus Dankbarkeit eine Nacht bei sich nächtigen ließ. Ja, die Australier sagen nicht nur ständig „no worries“, sie leben dies auch. Alles scheint viel entspannter zu sein. Liegt wohl auch an der Sonne, die sich hier einfach deutlich häufiger blicken lässt und sich positiv auf die Gemütslage auszuwirken scheint.  

Oft werde ich von den Einheimischen gefragt, was mir denn bisher am besten gefallen hätte. Schließlich habe ich schon mehr gesehen, als so mancher Australier. Die meisten Australier verkaufen mit Rentenbeginn ihr Hab und Gut, investieren das Geld in einen XXL-Caravan und bereisen dann ihr eigenes Land. Selten sieht man Familien, meist nur während der Schulferien, die zu kurz sind, um das Land ausgiebiger zu erkunden.

Doch diese Frage ist wirklich schwer zu beantworten. Bisher würde ich allgemein sagen, dass mir die Westküste definitiv besser als die Ostküste gefällt. Obwohl es an der Ostküste natürlich auch Highlights am laufenden Band gab. Sydney ist eine tolle Stadt, das Great Barrier Reef zählt definitv zu einem unvergesslichen Erlebnis, auf Keppel Island kam Südsee Feeling auf, im tropischen Norden gab es Bananen und Papayas am Straßenrand zu kaufen, und so weiter. Doch die Ostküste war vor allem auch überlaufen, weniger mit Einheimischen, sondern mit anderen Reisenden, meist aus Europa. So kam es vor, dass ich öfter deutsch als englisch sprach, da man  fast auf jedem Campingplatz Deutsche als Nachbarn hatte, meistens junge Backpacker, die sich für ein paar hundert Dollar ein uraltes Auto gekauft hatten, das sie nun stolz durch Australien bugsierten. Auch kostenlose Campingplätze waren an der Ostküste, vor allem in der Nähe von Städten, nur schwer zu finden. Hier kam das Gefühl der grenzenlosen Freiheit erstmal nicht auf, da überall Verbotsschilder standen und hohe Strafen bei Nichtbeachtung angedroht wurden. 

Das Zentrum Australiens mit dem berühmten Ayers Rock war natürlich auch eines der Top-Highlights. Unvergessen das Gefühl, unmittelbar vor dem roten Felsen zu stehen und in seine Geschichte einzutauchen. Doch das war es dann auch schon, was die große rote Wüste, die immerhin 2/3 des Kontinents einnimmt, besonders macht. Der Rest ist geprägt von unendlich scheinenden Autofahrten durch eine sich kaum verändernde Landschaft. Und der rote Sand, der auf den Fotos vor allem mit wolkenlosen Himmel einen tollen Kontrast bildet, nervt nach kurzer Zeit, da er in alle Ritzen kriecht, die Füße rot einfärbt und aus der Kleidung nur schwer zu entfernen ist. Alles ist nur noch rot.

An der Westküste gibt es den roten Sand auch immer wieder und auch die Entfernungen sind nicht zu unterschätzen, doch hier habe ich gefunden, was ich mir vorab unter Australien vorgestellt habe. Die wunderschöne, grenzenlose, vielfältige Natur. Es kam vor, dass mir pro Tag nur ein paar wenige Autos auf einer Strecke von mehreren hundert Kilometern entgegen gekommen sind. Es gibt viele Rastplätze, auf denen kostenlos genächtigt werden kann. Hier kam zum ersten Mal wirklich das Gefühl der grenzenlosen Freiheit auf. Unendliche Weiten, kaum andere Leute, unbeschreibliche Natur. Und vom Norden in Exmouth bis runter nach Perth, eine verhältnismäßig kurze Strecke, gibt es eine Vielfalt ohnegleichen. Kann man im Norden mit Manta Rochen und Haien schnorcheln, so gibt es wenig später einen Nationalpark nach dem anderen, der mit wunderschönen Wanderungen durch rote Sandsteinschluchten lockt. Deutsche Backpacker werden zur Seltenheit. Häufiger trifft man deutsche Urlauber, die hier ihren Jahresurlaub im gemieteten Van verbringen. Australier sieht man umso häufiger – und auch vereinzelt Familien mit drei oder vier Kindern, die diese von der Schule für ein Jahr befreit haben und nun gemeinsam monatelang durchs Land reisen und dafür auch die ruhigere Westküste bevorzugen.



Work and travel steht auf meinem Visum – und bisher habe ich immerhin 2 der 6 Monte auch gearbeitet. Eine ziemlich neue Erfahrung, in einem Roadhouse als Allrounder tätig zu sein. Wer hätte gedacht, dass ich down under meine Reisekasse durch Kloputzen und Zimmermädchen spielen, aufbessern würde? Doch die anfänglichen Schwierigkeiten gehörten schon bald der Vergangenheit an und die Arbeit begann Spaß zu machen, da ich mich im Mitarbeiterteam mehr als Willkommen fühlte und der Abschied dann tatsächlich für beide Seiten schwer fiel. Mal sehen, ob ich nochmal arbeiten und wo ich dann landen werde. 

Nun werde ich in ein paar Tagen in Perth ankommen, dort eine Woche bei einer Familie bleiben, die ich unterwegs kennen gelernt habe und die mir eine Unterkunft bei sich angeboten hat, bevor ich Australien kurz verlassen werde, um Neuseeland zu erkunden. Ab Dezember möchte ich gerne den Süden von Perth und die Südküste im Allgemeinen erkunden, bevor es im Februar nach Tasmanien geht. Im März habe ich dann Zeit, für mein Auto einen neuen Besitzer zu finden und die restliche Strecke bis Sydney per Bus zu fahren, bevor es Ende März/Anfang April wieder nach Hause geht. Wahrscheinlich :-)



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